Eigenmietwert in der Schweiz: Was die Abschaffung bedeutet
07.10.2025

Autor/-in
Cyrill Lanz
Kategorien
- Markt
Die Schweiz hat am 28. September 2025 einen steuerpolitischen Systemwechsel beschlossen: Der Eigenmietwert wird abgeschafft. Damit endet die jahrzehntelange Praxis, wonach selbstbewohntes Wohneigentum als fiktives Einkommen versteuert wird. Gleichzeitig werden bisherige Abzugsmöglichkeiten – insbesondere für Schuldzinsen und Unterhaltskosten – eingeschränkt beziehungsweise neu geregelt, und Kantone erhalten die verfassungsrechtliche Grundlage für besondere Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften. Für Eigentümerinnen und Eigentümer stellen sich damit unmittelbar praktische Fragen: Ab wann gilt was? Welche Abzüge bleiben? Wer profitiert, wer trägt künftig mehr? Dieser Beitrag erklärt die Hintergründe, ordnet die Abstimmungsresultate ein und zeigt, was der Systemwechsel für Ihre Steuerplanung, Ihren Hypothekarhaushalt und künftige Kaufentscheidungen bedeutet.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Stimmbevölkerung hat die Abschaffung des Eigenmietwerts angenommen; damit entfällt die Besteuerung des fiktiven Mietwerts für selbstbewohntes Eigentum.
- Für Zweitliegenschaften schafft der Bundesbeschluss die Grundlage für kantonale Liegenschaftssteuern; so können Ausfälle aus der Eigenmietwert-Abschaffung abgefedert werden.
- Übergangs- und Flankierungselemente (u. a. restriktive Schuldzinsenabzüge ausserhalb der Selbstnutzung) strukturieren den Systemwechsel; Detailausgestaltung erfolgt durch Bund und Kantone.
Was ist der Eigenmietwert – und warum wurde er abgeschafft?
Der Eigenmietwert bezifferte den hypothetischen Mietwert einer selbstbewohnten Liegenschaft und wurde als Einkommen besteuert. Im Gegenzug waren Schuldzinsen und werterhaltende Unterhaltskosten abziehbar – ein im europäischen Vergleich ungewöhnliches System. Seit Jahren kritisierten Fachleute, es handle sich um ein «fiktives» Einkommen, das zudem Anreize für dauerhaft hohe Hypothekarschulden setze. Befürworterinnen und Befürworter sahen hingegen eine Gleichbehandlung mit Mietenden, weil die «Rendite» des Wohnens im Eigentum erfasst werde. Politisch reifte schrittweise der Kompromiss: Wegfall der Selbstnutzungsbesteuerung, dafür deutlich engere Abzüge – und eine verfassungsrechtliche Lösung für Zweitobjekte. Die Stimmbevölkerung bestätigte diesen Pfad nun an der Urne. Damit soll die Steuerpraxis vereinfacht und die Abhängigkeit von pauschalen Schätzungen reduziert werden. Künftig rücken reale Zahlungsflüsse (Zinsen, Unterhalt) stärker ins Zentrum als modellhafte Annahmen. Gleichzeitig sinkt der Anreiz, Schulden langfristig hoch zu halten, und solide Amortisation gewinnt an Gewicht. Für Eigentümerinnen und Eigentümer bedeutet dies weniger Komplexität und klarere Leitplanken für Finanzierungsentscheide.
Das Abstimmungsergebnis vom 28. September 2025
Die Vorlage zur Abschaffung des Eigenmietwerts erzielte am 28. September 2025 eine klare Zustimmung. Medienberichte nennen einen Ja-Anteil von rund 57,7 Prozent; damit sind die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen, das bereits vorgezeichnete Gesetzespaket in Kraft zu setzen. Für Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer bedeutet der Entscheid mehr Planungssicherheit – für Steuerverwaltungen und Kantone beginnt die Phase der Umsetzung.
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Was bedeutet das konkret für Ihre Steuererklärung?
Für selbstbewohnte Objekte wird künftig kein Eigenmietwert mehr als Einkommen erfasst. Das vereinfacht die Deklaration, reduziert Belegpflichten und macht die Steuerlast planbarer – besonders für Haushalte, die im Laufe der Jahre stark amortisiert haben. Gleichzeitig müssen Eigentümerinnen und Eigentümer damit rechnen, dass gewohnte Abzüge für Schuldzinsen und Unterhalt nicht mehr im bisherigen Umfang wirken. Wer also mit einer hohen Fremdfinanzierung kalkulierte, wird künftig weniger Steuervorteile herausziehen; der Anreiz verschiebt sich Richtung Amortisation und stabilere Eigenkapitalquoten. Für vermietete Liegenschaften bleiben Abzüge anteilig möglich – eine Differenzierung, die Investitionen in Mietobjekte weiterhin abbildet, ohne hohe Schulden steuerlich zu privilegieren.
Auswirkungen auf Hypothekenstrategie und Amortisation
Die Reform setzt Signale gegen langfristig hohe Verschuldung. Die Kombination aus wegfallender Selbstnutzungsbesteuerung und reduzierten Zinsabzügen macht eine nüchternere Betrachtung der Hypothekenstruktur nötig: Laufzeiten, Mix aus festen und flexiblen Tranchen, direkte vs. indirekte Amortisation und der Umgang mit Zinsänderungsrisiken sollten neu justiert werden. Wer bereits stark amortisiert hat – etwa im Ruhestand – profitiert überproportional, weil kein fiktives Einkommen mehr anfällt und der geringere Nutzen aus Abzügen weniger ins Gewicht fällt. Umgekehrt steigt für stark fremdfinanzierte Haushalte der Druck, eine realistische Amortisationsplanung zu verfolgen. Banken und Verbände betonen in ersten Einschätzungen denn auch, dass Tragbarkeit, Zinsabsicherung und Liquiditätsreserven gegenüber Steueroptimierung an Bedeutung gewinnen.
Erstkauf: Chancen und neue Spielregeln
Für Ersterwerberinnen und Ersterwerber ist der Systemwechsel zweischneidig: Einerseits entfällt der Eigenmietwert, andererseits fallen frühere Steuerrabatte über Schuldzinsenabzüge weg beziehungsweise werden kleiner. Politisch vorgesehen sind gezielte Flankierungen, die den Einstieg erleichtern sollen; deren konkrete Ausgestaltung und zeitliche Staffelung hängen vom Bundesratsentscheid zum Inkrafttreten und kantonalen Umsetzungsarbeiten ab. Für die Praxis heisst das: Tragbarkeit, Eigenmittel und die zeitliche Planung von Investitionen (z. B. Renovationen) sollten noch sorgfältiger mit Finanzierungspartnern abgestimmt werden.

Zweitliegenschaften: Kantonale Liegenschaftssteuern als Ausgleich
Weil der Eigenmietwert auch auf Zweitobjekten entfällt, schafft der neue Verfassungsrahmen eine explizite Grundlage für kantonale Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften. Damit können Kantone mit hohem Anteil an Ferienwohnungen und Zweitwohnsitzen Steuerausfälle ausgleichen und die Finanzhaushalte stabilisieren. Für Eigentümerinnen und Eigentümer bedeutet das: Je nach Kanton kann künftig eine neue, objektspezifische Steuerbelastung entstehen. Es lohnt sich, die kantonalen Debatten zur Höhe, Bemessungsgrundlage und allfälligen Übergangsfristen eng zu verfolgen.
Was bedeutet das für den Immobilienmarkt insgesamt?
Makroökonomisch dürfte die Reform dämpfend auf steuergetriebene Verschuldung wirken. Das kann die finanzielle Stabilität stärken und die Sensitivität gegenüber Zinsanstiegen reduzieren. Gleichzeitig verschiebt sich die Attraktivität von Eigentum weg von steuerlicher Optimierung hin zu realwirtschaftlichen Faktoren: Lage, energetische Qualität, Unterhaltskosten und Finanzierungsspielräume werden noch entscheidender. Für die Preisbildung bedeutet das mittelfristig eine stärkere Differenzierung: Objekte mit solider Substanz und geringem Investitionsstau werden relativ gewinnen; stark sanierungsbedürftige Immobilien könnten ohne steuerliche Hebel an Attraktivität verlieren. Auf dem Mietmarkt bleiben Investitionen abbildbar, jedoch ohne implizite Subventionierung über hohe Schulden.
Fazit: Weniger Komplexität, mehr Eigenverantwortung
Die Abschaffung des Eigenmietwerts ist ein Paradigmenwechsel. Sie vereinfacht die Besteuerung selbstgenutzten Wohneigentums, reduziert Anreize zur Dauerverschuldung und rückt den wirtschaftlichen Nutzen der Immobilie in den Vordergrund. Für Eigentümerinnen und Eigentümer bedeutet das mehr Klarheit – und die Aufgabe, Hypothekar- und Unterhaltsentscheide stärker aus finanzieller Vernunft statt aus steuerlichen Motiven zu treffen. Wer die eigenen Zahlen kennt und Strategie sowie Zeitplan entsprechend ausrichtet, kann den Systemwechsel zu seinem Vorteil nutzen.
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